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Psychologische Tätigkeit für Gesundheitsförderung und Prävention auf der
Ebene der Spitzenverbände der Krankenkassen
Dipl.-Psych. Karin Schreiner-Kürten
(karin.schreiner-kuerten@bv.aok.de)
Mit vielen kleinen Schritten auf dem Weg zu mehr Transparenz,
Qualität und kooperativem Engagement
Interdisziplinarität zeichnet das Arbeiten bei einem
Krankenkassenspitzenverband aus; dies gilt gerade auch für das Feld der
Gesundheitsförderung und Prävention. Als Diplom-Psychologin arbeite ich
gemeinsam mit Kollegen anderer Professionen wie z.B. Sozial- und
Verwaltungswissenschaftlern, Ingenieuren, Volkswirten, Medizinern und
Gesundheitswissenschaftlern. In diese Zusammenarbeit bringe ich mein
psychologisches Wissen ein und erweitere gleichzeitig meine Kenntnisse durch
die Sichtweisen der anderen Kollegen. Nur diese Ressourcenerweiterung und
-bündelung wird der komplexen Thematik Gesundheitsförderung und Prävention
gerecht. Denn: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Fachkompetenz in psychologischen Fragen wie Einstellung und Verhalten,
Lernen und Motivation, psychische Gesundheit, Stressbewältigung,
Suchtprävention, etc. ist gefordert.
Methodenkompetenz in empirischer Sozialforschung spielt im Hinblick auf
Dokumentation und Evaluation von Gesundheitsförderungs- und
Präventionsaktivitäten eine wichtige Rolle.
Schlüsselkompetenzen sind für die Krankenkassenverbandsarbeit im Team, in
Arbeitsgruppen und Gremien unerlässlich: Hohe kommunikative Kompetenz im
Umgang mit Vertretern anderer Professionen, mit Vertretern anderer
Kassenverbände, aber auch den Vertretern der eigenen Mitgliedskassen,
Problemlösefähigkeit, Überzeugungskraft und Kompromissbereitschaft, Ausdauer
und Geduld sowie hohe Wertschätzung gegenüber den Gesprächs- und
Verhandlungspartnern sind wichtige Parameter für erfolgreiches Agieren.
Zum Arbeitsalltag im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention auf
Spitzenverbandsebene gehören u.a.:
- Konzepterarbeitung
- Arbeitsgruppen-, Arbeitskreis- und Gremiensitzungen innerhalb des
eigenen Spitzenverbandes und seiner Mitgliedskassen sowie im Kreis der
GKV-Spitzenverbände
- Mitarbeit in Arbeitsgruppen des Deutschen Forums Prävention und
Gesundheitsförderung sowie in weiteren Arbeitsgruppen (z. B.
gesundheitsziele.de).
- Öffentlichkeitsarbeit durch Vorträge, Broschüren, fachliche
Stellungnahmen für die Presse etc.
Am Beispiel einzelner konkreter Arbeitsschwerpunkte möchte ich zeigen,
wie im März 2003 durch kontinuierliche interdisziplinäre kooperative Arbeit
wichtige Ziele bzw. Zwischenziele erreicht werden konnten.
Beispiel 1:
Dokumentation der Leistungen der Primärprävention und der betrieblichen
Gesundheitsförderung gemäß § 20 Abs. 1 und 2 SGB V.
Der Arbeitskreis der PräventionsreferentInnen der Spitzenverbände der
Krankenkassen koordiniert auf der Fachebene die aus den gesetzlichen
Vorgaben resultierenden Rahmenbedingungen und trägt so zu einer qualitativ
hoch stehenden möglichst einheitlichen Umsetzung derselben bei. Als Mitglied
in diesem Arbeitskreis habe ich mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen
Kassenverbände und mit Unterstützung durch den Medizinischen Dienst der
Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) seit Ende 2000 daran gearbeitet, ein
Dokumentationsverfahren für die Präventionsaktivitäten der Krankenkassen zu
entwickeln.
- Welche Leistungen erbringen Krankenkassen in der Primärprävention und
betrieblichen Gesundheitsförderung?
- Welche Zielgruppen erreichen sie?
- Mit welchen Partnern arbeiten sie in den verschiedenen Settings
zusammen?
- Wie wird der Erfolg von Prävention und Gesundheitsförderung gemessen?
Diese und viele weitere Fragen sollten beantwortet und damit erstmals
bundesweit Transparenz in diesem Feld hergestellt werden.
Bei diesem Vorhaben waren fachlich Wünschenswertes und ökonomisch
Vertretbares in Einklang zu bringen, und es musste die Zustimmung der
Mitgliedskassen gewonnen werden, für die die Dokumentation zusätzliche
Arbeit zum Tagesgeschäft bedeutet. Nachdem auf der Fachebene ein
konsentierter Vorschlag für die Dokumentation erreicht war, musste ein
gemeinsames politisches Votum der Spitzenverbände vorbereitet und eingeholt
werden. Im nächsten Schritt mussten die Mitgliedskassen motiviert werden,
zur Piloterhebung für das Jahr 2001 beizutragen. In 2002 wurden
Auswertungsroutinen vereinbart, die Berichtsstruktur entwickelt sowie die
Ergebnisse beschrieben und bewertet. Im März 2003 konnte die Dokumentation
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (zum download als pdf-Datei auf
der Website des MDS:
www.mds-ev.de).
Damit ist in Bezug auf Transparenz des Leistungsgeschehens der GKV im
Bereich Primärprävention und Gesundheitsförderung ein wichtiger Schritt
getan und auch ein erstes Ziel erreicht. Gleichzeitig geht die Arbeit
nahtlos weiter: Die Dokumentationsbögen müssen vor dem Hintergrund der
empirischen Erfahrungen der Nutzer sowie der Auswerter überarbeitet werden.
Auch die Dokumentation der Präventionsaktivitäten in 2002 muss vorbereitet
werden.
Parallel richtet sich der Fokus nun auf die Entwicklung eines
Evaluationskonzeptes, die mit externer wissenschaftlicher Unterstützung
erfolgen soll.
Beispiel 2:
Kassenartenübergreifendes Kooperationsprojekt im Setting Schule
Ein weiteres wichtiges Thema, an dem ich seit 2001 konkret mitgearbeitet
habe, konnte nun als Projekt starten: Das kassenartenübergreifende
Kooperationsprojekt im Setting Schule. Da die Krankenkassen im Vergleich zur
betrieblichen Gesundheitsförderung weniger Erfahrung im Setting Schule
haben, besteht hier besonderer Handlungsbedarf. Kassenartenübergreifend
sollen die Kooperationsmöglichkeiten mit allen verantwortlichen Akteuren in
einem Modellprojekt erprobt werden. Die Vorbereitungsarbeit hierfür erfolgte
wieder auf der Fachebene der Spitzenverbände mit Unterstützung durch die
Fachebene der Mitgliedskassen und durch die Beratende Kommission. Folgende
Arbeitsschritte gingen ineinander über:
- Einigung darüber, nach welchen Kriterien Projekte ausgewählt oder
entwickelt werden sollten, welche Kooperationspartner in Frage kommen
- Bestandserhebung von in Frage kommenden Projekten
- Entscheidung für bestimmte Projekte und Verhandlungen mit den
Kooperationspartnern
- Rückkoppelung mit den Mitgliedskassen in den Regionen, in denen das
Projekt stattfinden soll
- Erarbeitung eines Vertragsentwurfes mit juristischer Unterstützung
- Einholung des politischen Votums aller Spitzenverbände für das
gemeinsame Projekt
Nachdem am 13.03.2003 die Spitzenverbände gemeinsam beschlossen haben,
sich an diesem dreijährigen Projekt maßgeblich zu beteiligen, kann es
losgehen. Wieder: Ein wichtiges Ziel ist erreicht und damit fängt alles erst
an.
Beispiel 3:
AOK-Aktivitäten im Setting Schule: Qualität kommunizieren
Die AOK hat sich schon unabhängig von dem jetzt gestarteten
kassenartenübergreifenden Modellprojekt in verschiedenen Regionen mit
Kooperationspartnern im Setting Schule engagiert. Dieses Engagement der AOKs
gilt es von Seiten des AOKBundesverbandes zu unterstützen und zu
verbreitern. Dies bedeutet für mich u. a. mit einer Arbeitsgruppe interne
Umsetzungsempfehlungen zu entwickeln und die AOKKollegen konkret zu beraten.
Um das beispielhafte Vorgehen der AOKs öffentlichkeitswirksam zu
kommunizieren, habe ich in den letzten Monaten mit maßgeblicher
Unterstützung des Kompart Verlages eine Sonderbeilage für die April- Ausgabe
der Zeitschrift »Gesundheit und Gesellschaft« (G+G) konzipiert. Das
G+G-Spezial »Gesundheit wächst mit« (für Interessierte bei der Autorin
erhältlich) wird vorab bei einer überregionalen Presseveranstaltung der AOK
zu einem hessischen Schulprojekt journalistisch genutzt, ebenso wie beim
WHO-Weltgesundheitstag mit dem Thema »Gesunde Umwelt – gesunde Kinder « am
7.4.2003, den die AOK unterstützt.
Auch hier ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. Das
Engagement der AOK für die besonders wichtige Zielgruppe der Kinder und
Jugendlichen wird konkret sichtbar. Gleichzeitig ermutigt das Sonderheft zu
weiteren Schritten auf dem Weg zu gemeinschaftlich getragener nachhaltiger
Gesundheitsförderung.
Was bedeutet die oben in einigen Schwerpunkten beschriebene Tätigkeit
für mich als Psychologin und Psychotherapeutin?
Ursprünglich aus der praktischen klinisch- psychologischen Arbeit mit
Patienten herkommend, habe ich auch bei meiner jetzigen Aufgabe – wie zuvor
auch bei meiner Fachtätigkeit für Psychologen/innen und
Psychotherapeuten/innen im BDP – stets die Menschen im Blick, für die
Strukturen und Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden müssen, damit sie
sich gesundheitsförderlich verhalten und möglichst gesund leben können.
Denn ebenso wie psychologische Arbeit »vor Ort« mit Patienten
Ratsuchenden, Kunden zur Verbesserung von deren Lebensbedingungen und deren
Bewältigungskompetenz beiträgt, so trägt auf der gesundheitspolitischen
Ebene psychologische Arbeit zur Weiterentwicklung von Strukturen und
Rahmenbedingungen bei, die der Gesellschaft und dem Individuum bei der
gesunden Lebensgestaltung nützen sollen.
Im besonderen Spannungsverhältnis zu meinem beruflichen Selbstverständnis
steht allerdings der Umstand, dass – vor dem Hintergrund der finanziellen
Problematik der Sozialsysteme sehr aktuell – stets eine Abwägung zwischen
Bedarfen und ökonomischem Nutzen erfolgen muss. Gemindert wird diese
Spannung für mich zumindest teilweise dadurch, dass ich meinen Beitrag zur
gesellschaftspolitischen Querschnittsaufgabe Gesundheitsförderung und
Prävention bei einem Non-Profit-Unternehmen leiste, das sich dem
Solidarprinzip verpflichtet hat.
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